Die Wiedergeburt von Omega

Chapter 799: Aloria 5 (Ch.800)



Chapter 799: Aloria 5 (Ch.800)

Jian war seit gefühlten Stunden unterwegs. Das Geräusch seiner Schritte, als seine Stiefel über das weiche Moos knirschten, war kaum lauter als die Atemzüge, die er in die feuchte Luft ausatmete.

Um ihn herum ragten die Bäume empor. Ihr Rücken war knorrig wie runzlige Knöchel. Alles war still geworden ... zu still.

Er war sich nicht sicher, wann es passiert war, aber der Wald war vor kurzem vollkommen still und leise geworden. Keine Vögel, keine Insekten. Das einzige Geräusch, das übrig blieb, war das leise Rascheln der Blätter, wenn der Wind durch sie hindurchfuhr.

Auch der Pfad war vor einer Weile verschwunden. In einem Moment war da noch plattes Gras und eine Lücke zwischen den Bäumen gewesen... etwas, das einem Pfad ähnelte, und im nächsten Moment... nichts.

Nur der Wald, der sich um ihn herum schloss.

Es war ein lächerlicher Versuch, ihn einzuschüchtern. Er war nur einen Unmut davon entfernt, alles bis auf den Grund niederzubrennen. Dann würde er alle Wege haben, die er brauchte.

Jian rollte mit den Schultern. Neveah und Xenon waren irgendwo da draußen und er würde sie finden. So viel war sicher.

Je tiefer er ging, desto dichter schienen die Bäume zu werden. Ihre Wurzeln schlängelten sich über den Boden, als hätte der Wald es satt, begangen zu werden, und wollte stattdessen über ihn stolpern.

Jian ging an einem besonders breiten Baum vorbei, doch er hielt inne. Irgendetwas an diesem Baum ließ ihn erstarren.

Da war etwas auf ihm ... ein Gesicht.

Nein, es war kein echtes Gesicht. Aber die Äste im Holz, das Muster aus dunklem Moos und heller Rinde kamen ihm unheimlich bekannt vor. Augen. Eine Nase. Ein Mund. Er runzelte die Stirn, und je länger er hinsah, desto mehr ähnelte das Gesicht Neveah.

Ihre Augen, sanft und ruhig, aber immer am Rande eines Blinkens. Ihr Mund, immer nur eine halbe Sekunde von einem Grinsen entfernt. Er streckte die Hand aus, ohne nachzudenken, und seine Fingerspitzen berührten die Rinde.

Der Baum stöhnte auf.

Das Holz verdrehte sich, und das Moos bewegte sich, als würde es atmen. Jian machte einen Schritt zur Seite, als eine Ranke nach vorne schnappte und den Ärmel seines Mantels streifte. Sie zog sich zischend zurück und krümmte sich wie eine Schlange, die sich zum Angriff bereit machte.

Er beschwor eine flackernde Flamme in seiner Handfläche. Die Ranke wich augenblicklich zurück.

"Netter Versuch", murmelte er flach.

Er wollte den Wald nicht in Flammen setzen. Noch nicht.

Er ging weiter.

Der Wald wurde dichter, dunkler. Ein leichter Nebel schwebte tief über dem Boden und waberte zwischen den Baumstämmen wie etwas Lebendiges. Jian blinzelte. Gestalten bewegten sich darin. Schatten, die sich hinter Bäumen duckten, wenn er sie direkt ansah.

Er bog um eine Ecke und erstarrte.

Vor ihm, im Nebel, stand eine einsame Gestalt.

Sein Körper stand still, aber sein Herz tat es nicht. Es pochte hart und rasselte in seiner Brust. Wut und etwas noch Stärkeres kräuselten sich in ihm... ein Schmerz, tiefer als er ihn erreichen konnte.

Es gab nichts, was er mehr verabscheute als diese kranken Psychospielchen mit der Magie. Seine Lippen pressten sich zu einer grimmigen Linie zusammen.

Sie trug immer noch die einfache Robe, an die er sich aus seiner Kindheit erinnerte, das Haar zurückgebunden, die Hände vor sich gefaltet.

Seine Mutter... Raena.

Sie sprach nicht. Jian tat es auch nicht, er starrte nur. Er wusste, was das war... dass sie nicht real war.

Dennoch verweilte er einen Moment lang. Dann schüttelte er leicht den Kopf und ging weiter. Er spürte die Bewegung hinter sich, aber er drehte sich nicht um, sondern seine Flammen bewegten sich an seiner Stelle und entzündeten mit jedem Schritt, den er vorwärts machte, eine Spur.

Hinter ihm loderten die Flammen auf und setzten die gesamte Rinne in Brand, um alles, was ihm missfiel, in Asche zu verwandeln.

Als das Feuer erlosch, war es wieder still.

Jian ging weiter, obwohl ihm ein mulmiges Gefühl im Magen aufstieg.

Der Wald versuchte nicht nur, ihn aufzuhalten, er wollte ihn brechen, indem er seine vermeintliche Schwäche ausnutzte.

Das war zu schade ... seine Mutter war keine Schwäche,

Sie war seine Wut.

_____________

Der Nebel wurde immer dichter, je weiter er ging. Er trug einen seltsamen Geruch mit sich, etwas Süßes und Metallisches. Und irgendwann begannen seine Glieder sich schwer anzufühlen und der Boden wurde weich unter seinen Füßen. So sehr, dass es ihn mehr Mühe kostete, seinen Stiefel anzuheben.

Irgendetwas war nicht in Ordnung.

Aber er blieb erst stehen, als er eine Wand aus blühenden Ranken durchbrach. Er befand sich auf einer bezaubernden Wiese, sie war kreisrund und vollkommen ruhig.

So weit er sehen konnte, blühten überall blasse Blumen. Ihre Blütenblätter waren weit geöffnet und schimmerten leicht blau im Mondlicht, das eigentlich nicht hätte da sein dürfen. In der Mitte der Wiese lag ein breiter Teich, dessen Wasser still wie Glas war. Das Mondlicht streifte sanft über die Oberfläche wie ein zarter Kuss.

In der Mitte des Teichs stand ein majestätischer, weißer Steinthron, überzogen mit einem schimmernden Glanz.

Für Jian war es kein Vergnügen, diesen Anblick zu genießen. Sein Mund fühlte sich trocken an.

Er machte einen Schritt vorwärts. Der süße Duft war nun erdrückend, er umhüllte seine Gedanken. Jeder Atemzug schien schwer und klebrig.

Eine Bewegung fiel ihm auf.

Drei Feen traten zwischen den Blumen hervor, barfuß und in durchsichtige Seide gehüllt, die die Kurven ihres Körpers nicht verbarg. Ihre Augen funkelten verheißungsvoll erotisch, ihre Lächeln waren einladend.

Eine löste ihr Haar und ließ es in Wellen fallen. Im einen Moment war es schwarz, im nächsten jene vertrauten goldenen Strähnen, die er so liebte. Eine andere streckte ihre Hand aus.

"Du musst so müde sein", sagte sie mit sanfter Stimme.

Die dritte umkreiste ihn langsam, streifte seinen Arm mit einem leichten Finger.

"Komm, ruh dich aus, Drachenkönig. Du hast so lange gekämpft. Du hast so lange gewartet. Lass einfach los."

Jians Atem stockte. Sein Puls hämmerte. Er blinzelte und für einen Moment veränderten sich die Gesichter der Frauen. Sie sahen aus wie Neveah. Jede von ihnen. Ihre Augen. Ihr Mund. Ihre Stimme.

Er machte einen vorsichtigen Schritt zurück.

"Was... ist das?"

Die erste Fee lachte leise und süß. "Ein Geschenk. Ein Traum. Er kann alles sein, was du willst. Ist es nicht das, was du willst?"

Er versuchte Feuer zu beschwören, doch es erlosch in seiner Handfläche. Ein feuriges Verlangen, wie er es noch nie zuvor gefühlt hatte, durchströmte seine Adern.

Ein Bedürfnis, das er nicht einmal kannte. Alle seine Urinstinkte erwachten, und alles wurde schärfer... verlockender.

Da erkannte Jian, dass dieser Duft eine sehr beunruhigende Falle war.

Die zweite Fee drückte sich an ihn, ihre Brüste gegen seinen Arm, während ihre Lippen seinen Hals berührten. Ihre Hände glitten über seine Brust und dann gefährlich weiter nach unten. Jian wich sofort zurück, aber sein Körper protestierte. Ein Schmerz wuchs zu einem pulsierenden Schmerz an.

"Lass uns den Schmerz vergessen machen", flüsterte sie. Ihr Gewand sammelte sich um ihre Füße. "Lass uns genug sein."

Er stöhnte. Hitze durchströmte ihn, tief und drängend. Seine Knie knickten ein. Der Duft, die Stimmen, die Berührung, alles verschmolz zu einem Geflecht aus Urbedürfnissen.

Er spürte, wie ihm die Kontrolle entglitt.

Nein. Nein. Nicht auf diese Weise.

Mit einem Knurren zog Jian seinen Dolch aus dem Gürtel und rammte ihn in seinen Oberschenkel.

Schmerz explodierte in seinem Bein. Ein echter, heller Schmerz, der ihn im Hier und Jetzt verankerte.

Er zischte, der Atem stockte ihm im Hals. Der Nebel in seinem Kopf lichtete sich gerade genug, dass er realisierte, in welche Falle er beinahe getappt wäre.

Die Feen wichen erschrocken zurück.

Er starrte sie an, blutend und zitternd.

"Ihr müsst einen Todeswunsch haben", spuckte er.

Er griff wieder nach seinen Flammen, doch seine Sicht schwankte. Eine Fee wagte einen Schritt auf ihn zu, griff nach ihm. Sein Widerstand ließ nach, doch er wich vor ihnen zurück, schwer atmend.

"Du würdest lieber sterben, als mit einer anderen Frau zusammen zu sein?" höhnte eine der Feen.

"Der aphrodisierende Hain wurde nur für dich geschaffen, Eure Gnaden. Ein Geschenk unserer Königin. Wie lange kannst du widerstehen?"

"Kannst du es ertragen, deine einzige wahre Liebe zu betrügen? Selbst wenn es dein Leben kostet?"

Er ließ sich auf den Thron sinken, keuchend. Der Duft, der Schmerz, die Anziehungskraft des Hains verschwanden nicht. Der süße Geruch wurde nur noch intensiver und er konnte ihm nicht entkommen.

Er flüsterte ein Wort, als die Welt erneut zu verschwimmen begann. noveldrama

"Neveah."


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